Das Rathaus von Schifferstadt Die Haushaltsrede unserer Fraktionsvorsitzende Miriam Gruber macht deutlich, warm wir uns der Abstimmung zum Haushalt 2023 enthalten habe. Das Märchen vom Verschieben muss ein Ende finden!
"Es war einmal…in einer schönen Stadt in der Vorderpfalz. Den Beginn einer solchen Geschichte kennen wir wohl alle noch aus unserer Kindheit. Und oftmals kommt einem auch unser Haushalt vor wie ein wunderschönes Märchen:
Um- bzw. Neubau des Ochsen, Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes, Renaturierung des Rehbachs, Sanierung des Rathauses, Umgestaltung des Außengeländes im Jugendtreff, Aufwertung der Spiel- und Bolzplätze. All das sind Positionen in unserem Haushalt, die vielversprechend klingen und uns bereits seit einigen Jahren begleiten. Die Aufzählung wäre hierbei noch um ein Vielfaches zu erweitern.
Doch wie es leider so ist:
Wenn man tief in ein Märchen versunken ist, landet man irgendwann wieder auf dem Boden der Tatsachen und bemerkt, dass es weder Schlösser und Burgen, noch fließende Milch und Honig und schon gar keinen Prinzen gibt. Denn dieser stellt sich letztendlich meist als Frosch heraus – in unserem Fall sogar eher als Kröte – beziehungsweise gleich mehrere Kröten, die wir schlucken müssen.
Und so wird es Zeit, dass wir unser Märchenschloss verlassen und der Realität ins Auge blicken:
Die Verwaltung ist in sämtlichen Abteilungen unterbesetzt und überfordert, viele Projekte können weder geplant noch realisiert werden und wir verschieben diese Jahr für Jahr.
Unseren Luftschlössern stehen allerdings dennoch gravierende Belastungen der Bürgerinnen und Bürger und der Gewerbetreibenden gegenüber, denn die geplanten Investitionen sind ja stets Teil des Haushaltsplanes und müssen somit durch entsprechende Einnahmen ausgeglichen werden. Und so folgt der beschlossenen Erhöhung der Essensbeiträge in den Grundschulen bereits die nächste Ankündigung einer Preissteigerung. Darüber hinaus sollen die Grundsteuern A und B, sowie die Gewerbesteuer erheblich erhöht werden – sogar über die vom Land Rheinland-Pfalz festgesetzten Nivellierungssätze hinaus. Innerhalb der Verwaltung ist man sich wohl einig: Dies sind ja für jeden Haushalt nur ein paar Euro mehr pro Jahr. Doch ein paar Euro mehr hier für das Mittagessen der Kinder, ein paar Euro mehr dort für die Steuererhöhung, weitere Mehrausgaben für Strom und Gas sowie generell gestiegene Preise summieren sich und können letztendlich dazu führen, dass einige Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt womöglich nicht mehr wissen, wie sie all ihre Rechnungen bezahlen sollen.
Wie in vielen guten Märchen gibt es nun natürlich auch in unserem Fall eine böse Hexe
– nämlich die Kommunalaufsicht. Diese wird immer dann vorgeschoben, wenn man unliebsame Entscheidungen rechtfertigen will. Da stellt sich uns doch die Frage: Sind wir denn nur noch Getriebene, oder wollen wir das Zepter irgendwann mal wieder selbst in die Hand nehmen und eigene Lösungen finden. Wäre es denn nicht beispielsweise besser, sich realistische Ziele zu setzen, die man im nächsten Jahr auch erreichen kann, statt den Haushaltsplan so voller Projekte zu stopfen – die am Ende wohl wieder großteils ins nächste Jahr verschoben werden müssen – dass die prognostizierte Neuverschuldung durch Steuererhöhungen über die Nivellierungssätze hinaus erhöht werden muss?
Dass diese vorausschauende Planung derzeit an einigen Ecken und Enden fehlt, kann man nicht nur anhand des Haushaltsplans erkennen.
Seit vielen Jahren ist bekannt, dass die Unterführung am Bahnübergang Iggelheimer Straße gebaut wird und in dieser Zeit der Festplatz nicht für das Rettichfest genutzt werden kann. Im November 2022 – also sage und schreibe sieben Monate vor dem Rettichfest kam man dann tatsächlich auf die Idee, den Arbeitskreis zusammenzurufen, um mögliche Alternativen zu besprechen. Nur um festzustellen, dass es aufgrund des Zeitmangels überhaupt keine Alternativen mehr gibt, da es für ein Fest in der Innenstadt eine gewisse Vorlaufzeit braucht. Eine ähnliche Situation wiederholte sich schließlich im Hauptausschuss Ende November: Die Verwaltung stellte fest, dass es aufgrund der knappen Vorbereitungszeit nicht möglich ist, sowohl die Straßenfastnacht als auch den Frühlingsmarkt zu organisieren und schlug deshalb vor, die in Planung und Umsetzung deutlich personalintensivere Straßenfastnacht ausfallen zu lassen.
Uns ist bewusst, dass das Referat Wirtschaft und Kultur stark unterbesetzt ist, nichts desto trotz ist es Aufgabe der Verwaltungsspitze solche Entwicklungen im Blick zu haben.
Denn diese Veranstaltungen sind ja nicht plötzlich vom Himmel gefallen. Und selbst in Bestbesetzung ist es kaum zu leisten, eine Veranstaltung wie die Straßenfastnacht innerhalb von drei Monaten und die komplette Neukonzeption des Rettichfests innerhalb von sieben Monaten zu organisieren. Wie kann es also sein, dass dies völlig untergegangen ist und man das Referat mit diesen Herausforderungen scheinbar alleine gelassen hat?
Darüber hinaus bekommt man mittlerweile das Gefühl, dass häufig nicht mehr mit den Menschen, sondern nur noch über die Menschen gesprochen wird.
Ein Beispiel sind die Anträge des Seniorenbeirats, die vor der letzten Hauptausschusssitzung offensichtlich nicht mit dem Gremium diskutiert wurden. Rund 30% unserer Bürgerinnen und Bürger sind über 60 Jahre alt – und wir können froh sein, dass Menschen sich ehrenamtlich engagieren, um sich für deren Interessen einzusetzen. Ihnen nun nicht einmal die Möglichkeit zu geben, anhand einer fundierten Umfrage unter allen Seniorinnen und Senioren die Belange dieser Bevölkerungsgruppe zu erfahren, um daraus wichtige Schlüsse für zukünftige Projekte zu ziehen, weil man bei einem geplanten Jahresfehlbetrag von 8,8 Millionen Euro 4.500 Euro sparen will, ist ein mehr als schwaches Zeichen. Da stellt sich uns schon die Frage: Wie geht die Verwaltungsspitze denn hier mit den Ehrenamtlichen um?
Nach reiflicher Überlegung und Beratung sind wir von der SPD-Fraktion zu dem Schluss gekommen, uns dieses Jahr bei der Abstimmung über den Haushalt zu enthalten.
Die aufgezählten „Kröten“ wiegen teilweise so schwer, dass wir diese nicht guten Gewissens mittragen können. Da wir uns aber durchaus unserer Verantwortung und den Folgen bewusst sind, die mit einer Ablehnung des Haushaltes einhergehen, wollen wir uns der Planung für das Jahr 2023 nicht verweigern und enthalten uns deshalb.
Für die kommenden Jahre hoffen wir jedenfalls, dass unser Märchen nicht irgendwann mit den Worten endet: Und wenn sie nicht gestorben sind, dann verschieben sie die Projekte noch heute.